Kündigung wegen Eigenbedarfs - immer wieder Thema vor Gericht
Der BGH hat sich in zwei Urteilen vom 22.05.2019 mit der Frage beschäftigt, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann.
Gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann ein Mieter gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Regel nur vorgehen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.
Der BGH hat nun betont, dass es keine allgemeinen Fallgruppen gibt, in denen generell die Interessen einer Mietpartei überwiegen.
Der BGH hat seine Entscheidungen auf der Grundlage zweier Fälle von Eigenbedarfskündigung getroffen, die ihm nach vorausgegangenen Berufungsverfahren vorgelegt worden sind.
In beiden Fällen hatten sich Mieter auf einen Härtefall berufen.
Im ersten Fall hatte eine 80-jährige Mieterin einer Dreizimmerwohnung in Berlin ihrer Kündigung widersprochen, weil ihr der Umzug aufgrund ihres Alters, ihrer Verwurzelung in der Umgebung durch die lange Mietdauer sowie einer Demenzerkrankung nicht zumutbar sei.
Die Mieterin hatte in der Berufungsinstanz ein Attest vorgelegt, wonach sie an einer Demenz leidet, die belegen sollte, dass sie nur bedingt in der Lage sei, sich in einer neuen Umgebung zurecht zu finden, weswegen ein Umzug mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes einhergehen würde.
Der Eigentümer hatte den Eigenbedarf für seine 4-köpfige Familie mit zwei kleinen Kindern geltend gemacht.
Das Berufungsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen. Es hat zwar die Eigenbedarfskündigung des Klägers für wirksam erachtet, jedoch wegen des von ihm anerkannten Härtefalls zugunsten der Mieterin bestimmt, dass das Mietverhältnis der Parteien auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.
Im zweiten Fall ging es um die Kündigung einer angemieteten Doppelhaushälfte in einem Dorf in der Nähe von Halle.
Das Mietverhältnis wurde wegen Eigenbedarfs zugunsten der geschiedenen und bisher in Bayern lebenden Ehefrau und Miteigentümerin der Doppelhaushälfte geltend gemacht.
Die Mieter beriefen sich auf Härtegründe, insbesondere auf die schwere Erkrankung eines Mieters, der in Pflegestufe II eingruppiert war und unter diversen Erkrankungen litt (Schizophrenie, Alkoholkankheit, Demenz).
Nach einem vorgelegten ärztlichen Attest würde ein Umzug unweigerlich zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen.
Das Berufungsgericht hat die Eigenbedarfskündigung für begründet erachtet und der Räumungsklage stattgegeben, ohne ein von den Mietern beantragtes Sachverständigengutachten zur drohenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes einzuholen.
Der BGH hat in beiden Fällen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Der BGH hat in beiden Fällen deutlich gemacht, dass in einem Mietverhältnis grundrechtlich geschützte Belange betroffen seien, so dass auch eine umfassende Sachverhaltsaufklärung und eine sorgfältige Abwägung erforderlich sei, ob im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Mieters zur Fortsetzung des Mietverhältnisses oder diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen.
Nach Auffassung des BGH wurde in beiden Verfahren wohl vorschnell entschieden. Nur weil jemand einer bestimmten Gruppe angehört, wäre er nicht automatisch vor einer Eigenbedarfskündigung geschützt.
Ebenso könnte ein Härtefall nicht automatisch ausgeschlossen werden, nur weil eine bestimmte Krankheit im Regelfall nicht als derart gravierend eingestuft wird, dass ein Umzug unzumutbar wäre.
Die Gerichte dürften - so der BGH weiter - ihre Entscheidung nicht allein auf ärztliche Atteste oder allgemeine Umstände stützen.
Wenn ein Mieter eine zu besorgende Verschlechterung des Gesundheitszustandes durch ärztliche Atteste belegt hat, ist regelmäßig dann sogar von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, um auf diese Weise zu klären, an welchen Erkrankungen der betroffene Mieter konkret leidet und wie sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen auf dessen Gesundheitszustand auswirken.